Zum Priesterjahr 2009/2010

Papst Benedikt XVI. antwortet Priestern

Thema 7: Priester sein – glaubend, mit Grenzen, in Gemeinschaft

Am 6. August 2008 traf sich Benedikt XVI. während seines Urlaubs mit Priestern und Diakonen und Seminaristen aus Südtirol. Auf die Frage des Dekans von Kastelruth, Franz Pixner, wie die Priester mit den zunehmenden Belastungen umgehen können, sagte der Hl. Vater unter anderem:
Priestertum ist also deswegen unersetzlich, weil es in der Eucharistie immer wieder vom Herrn her Kirche erschafft, im Bußsakrament uns immer wieder die Reinigungen vermittelt, eben im Sakrament ein Hineingenommensein in das „Für“ Jesu Christi ist. Aber ich weiß, wie schwer es ist, heute – wo dann einer nicht mehr eine Pfarrei hat, die überschaubar war, sondern mehrere Pfarreien, Seelsorgeeinheiten, für diesen Rat da sein muß und für jenen und so weiter… – nun ein solches Leben zu leben. Ich glaube, daß in dieser Situation der Mut zur Beschränkung und die Klarheit der Prioritäten wichtig ist. Eine grundlegende Priorität der priesterlichen Existenz ist, das Sein mit dem Herrn und daher eine Zeit des Gebetes zu haben.

Der heilige Karl Borromäus hat immer gesagt: „Du kannst nicht für die Seelen der anderen sorgen, wenn du die deinige verkümmern lasst. Dann sorgst du am Schluß auch für die anderen nicht mehr. Du mußt auch Zeit für dich mit Gott haben“. Und so möchte ich betonen: So viel auch herandrängt, es ist eine wirkliche Priorität, jeden Tag – ich würde sagen:doch eine Stunde lang – Zeit zu haben zur Stille für den Herrn und mit dem Herrn, wie es uns die Kirche mit dem Brevier, mit den Gebeten des Tages anbietet, um so von innen her immer wieder reich zu werden, immer wieder eben – wie ich in der Antwort auf die erste Frage sagte – in den Atemraum des Heiligen Geistes zu kommen.

Und von da aus sind dann die Prioritäten zu ordnen: Ich muß sehen lernen, was wirklich ganz wesentlich ist, wo ich als Priester unersetzlich gefordert bin und es niemand anderem übertragen kann. Und zugleich muß ich eben in Demut annehmen, daß ich vieles, was ich eigentlich tun sollte – wo man eigentlich mich erwarten würde – nun eben doch nicht tun kann, weil ich meine Grenze anerkenne. Ich glaube, diese Demut wird dann von den Menschen auch verstanden.

Und damit muß ich dann eben dieses andere verbinden: delegieren zu können, Menschen in die Mitarbeit hineinzurufen. Mein Eindruck ist, daß die Menschen das auch sehen und daß sie gerade das anerkennen, wenn ein Priester bei Gott ist, wenn er die Funktion wahrnimmt, der Beter für die anderen zu sein: „Wir können nicht viel beten,“ sagen sie, „du mußt es für mich tun; es ist ja auch sozusagen dein Metier, unser Beter zu sein.“ Sie wollen einen Priester, der sich redlich müht, mit dem Herrn zu leben, und dann wirklich für die Menschen da ist – für die Leidenden, die Sterbenden, die Kinder, die Jugendlichen (das, würde ich sagen, sind Prioritäten) –, der dann aber auch weiß, was andere besser können als er selbst, und diesen Charismen Raum gibt. Ich denke da an die Bewegungen und an vielfältige andere Formen der Mitarbeit in der Pfarrei. In der Diözese selber wird das ja alles auch miteinander bedacht, die Formen geschaffen und der Austausch gefördert. Sie haben mit Recht gesagt, daß es dabei eben wichtig ist, über die Pfarrei hinauszublicken in die Gemeinschaft der Diözese, ja in die Gemeinschaft der Weltkirche hinein, die dann wiederum ihrerseits immer wieder zurückschauen muß, um zu sehen, wie es konkret in der Pfarrei zugeht und welche Konsequenzen sich für den einzelnen Priester ergeben.

Dann haben Sie noch einen Punkt angesprochen, der mit sehr wichtig ist, daß nämlich die Priester, obwohl sie geographisch – sozusagen – vielleicht weiter auseinander leben, eine wirkliche Gemeinschaft von Brüdern sind, die einander tragen und helfen sollen. Dieses Miteinander der Priester ist heute wichtiger denn je. Eben um nicht in die Isolierung, in die Einsamkeit und ihre Traurigkeiten zu verfallen, ist es wichtig, daß wir einander regelmäßig treffen können. Da wird die Diözese sehen, wie priesterliche Begegnungen am besten zu verwirklichen sind – heute gibt’s ja das Auto, wodurch wir auch leichter zueinander kommen können –, damit wir jedenfalls immer wieder das Miteinander erfahren, voneinander lernen, einander korrigieren und einander auch helfen, stärken und trösten, damit wir in dieser Gemeinschaft des Presbyteriums mit dem Bischof zusammen den Dienst an der Ortskirche tun.

Eben: Kein Priester ist Priester allein, wir sind Presbyterium, und nur in diesem Miteinander mit dem Bischof kann jeder seinen Dienst tun. Dieses sozusagen theologisch von allen anerkannte schöne Miteinander muß dann aber eben auch praktisch werden in den Formen, die die Ortskirche findet. Und es muß sich ausweiten, indem auch kein Bischof Bischof alleine ist, sondern nur Bischof im Kollegium, in dem großen Miteinander der Bischöfe. Um dieses Miteinander wollen wir uns immer wieder mühen. Und ich meine, es ist das Schöne am Katholischen, daß wir gerade auch durch den Primat, der ja nicht eine absolute Monarchie, sondern ein Dienst des Miteinander ist, uns dieser Gemeinsamkeit gewiß sein dürfen, so daß wir in einer großen, vielstimmigen Gemeinschaft doch alle miteinander sozusagen die große Musik des Glaubens in dieser Welt zur Geltung bringen.

Bitten wir den Herrn, daß er uns immer wieder tröstet, wenn wir meinen, es geht nicht mehr; tragen wir einander, und dann wird der Herr uns auch helfen, miteinander die Wege zu finden.

Bereits am 2. April 2006 beim Treffen mit dem Klerus von Rom war Papst Benedikt XVI. auf das Thema „Grenzen“ des pastoralen Dienstes eingegangen. Er sagte:

Der andere Punkt war der: Wie können wir das Leben als Geschenk leben? Diese Frage stellen wir besonders jetzt, in der Fastenzeit. Wir wollen die Option für das Leben erneuern, die, wie ich sagte, nicht die Option ist, sich selbst zu besitzen, sondern sich selbst hinzugeben. Mir scheint, dass wir das nur durch eine ständige Zwiesprache mit dem Herrn und durch das Gespräch miteinander tun können.

Auch die „correctio fraterna“ ist notwendig, um immer mehr zu reifen angesichts unserer stets unzulänglichen Fähigkeit, das Geschenk unser selbst zu leben. Aber mir scheint, dass wir auch hier die beiden Dinge vereinen müssen. Einerseits müssen wir unsere Unzulänglichkeit demütig annehmen, dieses Ich annehmen, das nie vollkommen ist, sondern sich immer zum Herrn streckt, um zur Gemeinschaft mit dem Herrn und mit allen Menschen zu gelangen.

Diese Demut, auch die eigenen Grenzen anzunehmen, ist sehr wichtig. Nur so können wir andererseits wachsen, reifen und den Herrn bitten, dass er uns helfe, unterwegs nicht müde zu werden, auch wenn wir demütig akzeptieren, dass wir nie vollkommen sein werden, und dass wir auch die Unvollkommenheit annehmen, besonders die des anderen. Wenn wir die eigene Unvollkommenheit annehmen, ist es auch leichter, die des anderen anzunehmen und uns vom Herrn immer wieder umformen und erneuern zu lassen.

Ein Jahr später, am 2. Februar 2007 kommt Benedikt XVI. in der Antwort auf eine Frage von Pfarrer Pasquale Silla erneut auf das Thema Arbeitsbelastung und Gebet zu sprechen. Unter anderem sagte er Papst:

Schließlich haben Sie vom Heiligtum als Ort der „caritas“ gesprochen. Das erscheint mir sehr logisch und notwendig. Ich habe vor kurzem wieder einmal gelesen, was der hl. Augustinus im zehnten Buch der Bekenntnisse sagt: „Ich bin versucht gewesen – und ich verstehe jetzt, daß es eine Versuchung war –, mich in das kontemplative Leben zu verschließen, die Einsamkeit mit dir, Herr, zu suchen; aber du hast mir das verwehrt, du hast mich da herausgeholt und mich das Wort des hl. Paulus hören lassen: ‚Christus ist für alle gestorben. So müssen wir mit Christus sterben und für alle leben‘; ich habe verstanden, daß ich mich nicht in der Kontemplation verschließen darf; Du bist für alle gestorben, daher muß ich mit Dir für alle leben und muß die Werke der Nächstenliebe leben.“ Die wahre Kontemplation zeigt sich in den Werken der Nächstenliebe. Das Zeichen dafür, daß wir wahrhaftig gebetet haben, daß wir Christus begegnet sind, ist daher, daß wir „für die anderen sind“.

So muß ein Pfarrer sein. Und der hl. Augustinus war ein großer Pfarrer. Er sagt: „Ich wollte in meinem Leben immer im Hören des Wortes, in der Meditation leben, aber jetzt muß ich – Tag für Tag, Stunde um Stunde – an der Pforte sitzen, wo ständig die Glocke klingelt, ich muß die Bedrückten trösten, den Armen helfen, die Streitsüchtigen ermahnen, Frieden stiften“ und so weiter. Der hl. Augustinus zählt die ganze Arbeit eines Pfarrers auf, weil zur damaligen Zeit der Bischof auch eine ähnliche Funktion hatte wie jetzt der Kadi in den islamischen Ländern. Wir könnten sagen, er war der Friedensrichter, wenn es um zivilrechtliche Probleme ging: Er mußte Frieden stiften zwischen den Streitsüchtigen. Er hat somit ein Leben geführt, das für ihn, einen Mann des Kontemplation, sehr schwierig gewesen ist. Aber er hat diese Wahrheit verstanden: So bin ich bei Christus; wenn ich „für die anderen“ bin, bin ich im gekreuzigten und auferstandenen Herrn.

Das erscheint mir als ein großer Trost für die Pfarrer und für die Bischöfe. Wenn uns wenig Zeit für die Kontemplation bleibt, sind wir beim Herrn, wenn wir „für die anderen“ sind. Sie haben von den anderen konkreten Elementen der Liebe gesprochen, die sehr wichtig sind. Sie sind auch ein Zeichen für unsere Gesellschaft, besonders für die Kinder, für die alten Menschen, für die Leidenden.

Prof. Dr. Achim Buckenmaier © Libreria Editrice Romana