Papst Benedikt begrüßt als ersten Referenten den evangelisch-lutherische Bischof i.R. Professor Ulrich Wilckens
Papst Benedikt und der zweite evangelisch-lutherische Referent, der Straßburger Ökumeniker Professor Theodor Dieter
Papst Benedikt und der dritte Referent, Professor em. Charles Morerod, Bischof von Lausanne, Genf und Fribourg

Fotos: ©Michael Hofmann

Papst Benedikt XVI. und sein Schülerkreis
Kardinal Kurt Koch

Das Zweite Vatikanische Konzil

Die Hermeneutik der Reform

St. Ulrich Verlag
ISBN 978-3-86744-175-9
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Michaela Christine Hastetter, Helmut Hoping (Hg.)Ein hörendes HerzHinführung zur Theologie und Spiritualität von Joseph Ratzinger / Papst Benedikt XVI.
Band 5 (RaSt 5) ist unter ISBN 978-3-791-72471-3 lieferbar. Zum Buch 

Ein Blick auf die theologischen Gespräche in Castelgandolfo 2012
von P. Stephan Otto Horn

Am Samstag, den 1. September fanden in der Sala della Roccia der päpstlichen Residenz in Castelgandolfo die theologischen Gespräche der Referenten mit Papst Benedikt und dem Schülerkreis statt. Der Sinn solcher Gespräche, die im Kreis der Schüler von Joseph Ratzinger-Papst Benedikt nun schon gut drei Jahrzehnte hindurch geführt wurden, lag nie darin, Ergebnisse des Gedankenaustausches zu einer gemeinsamen Sicht zusammenzufügen und sie so der Öffentlichkeit vorzulegen. Vielmehr ging es für uns Schüler einfach darum, mit unserem Meister zusammen zu sein, gemeinsam mit ihm wichtige Fragen der Zeit und der Theologie aufzunehmen und uns so fortzubilden. Nie legten wir diese Gespräche der Öffentlichkeit vor. Da Papst Benedikt im zweiten Jahr seines Pontifikats aber angesichts des Themas „Schöpfung und Evolution“ die Auffassung geäussert hatte, unsere Gespräche in Castelgandolfo könnten dazu beitragen, dass dieses so wichtige Thema von den Theologen mit neuem Elan aufgegriffen werde, haben wir erstmals in der Geschichte unserer Treffen die Vorträge und Gespräche eine Tagung in mehreren Sprachen veröffentlicht.

Im Vorfeld des Treffens des Schülerkreises von Papst Benedikt in Castelgandolfo (2012) blickten manche aus dem Kreis mit Sorge auf diese ökumenische Tagung und fragten sich, wie ein so weit gefasstes Thema in einer sehr begrenzten Zeit sinnvoll behandelt werden könne. Bald war dann aber spürbar, mit welcher Lauterkeit und welchem inneren Feuer die Referenten die ökumenischen Fragen vorlegten, um sie mit Papst Benedikt und seinen Schülern zu besprechen. So lag über der Tagung immer mehr eine innere Freude, auch wenn die Fragen im Gespräch bei weitem nicht ausführlich genug behandelt werden konnten.

Der erste Referent, der evangelisch-lutherische Bischof i.R. Professor Ulrich Wilckens, sah in der ökumenischen Bewegung das grosse und unerwartete Geschenk Gottes, das uns Christen der westlichen Welt helfen kann, die „Folgen der Aufklärung“, die Gotteskrise unserer Zeit und die Entfremdung vom christlichen Glauben, zu überwinden. Sie hat nach seiner Auffassung ihre entscheidende Wurzel in der Entfremdung gebildeter Schichten vom Glauben durch den Skandal der Religionskriege. Die ökumenische Bewegung hat die umgekehrte Richtung auf die Einheit hin und vermag deshalb dieser Entwicklung entgegenzuwirken, Das Reformationsgedenkjahr könnte dabei zu einer entscheidenden Chance werden, wenn sich im Jahr 2017 katholische und evangelische Christen zu einem gemeinsamen Schuldbekenntnis zusammenfinden.

Der zweite evangelisch-lutherische Referent, der Straßburger Ökumeniker Professor Theodor Dieter, griff in seinem Referat „Von der Trennung zur Gemeinschaft“ das Hauptthema auf, die Früchte des Dialogs der letzten Jahrzehnte zwischen Luthertum und katholischer Kirche zu ernten. Dabei nahm er sinnvollerweise nicht Einzelfragen auf, sondern stellte die Bedeutung der gegenwärtigen Stunde ins Licht. Es gelte nach einer langen Periode von Dialogen deren bleibend gültigen Ergebnisse von beiden Seiten her aufzunehmen – zu „rezipieren“, sie also als kirchlich verbindliche Texte anzunehmen. Das gelungene Beispiel eines solchen Ergebnisses sah er in der „Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre“. Die angemesseme ökumenische Haltung sah Dieter darin, nicht zuerst auf das Trennende zu blicken, um sich darin betstätigt zu sehen, sondern zuerst auf das Gemeinsame zu blicken, um von da aus das Treffende zu überwinden. Es gelte, in einem Geben und Nehmen „die Schätze von theologischer Lehre und Spiritualität, von Liturgie und Praktiken des christlichen Lebens“ zu heben.

Der dritte Referent, Professor em. Charles Morerod, Bischof von Lausanne, Genf und Fribourg, bot in seinem Referat „Zwischenbilanz von Anglikanern und Katholiken“ einen bemerkenswerten Einblick in den derzeitigen Stand des anglikanisch-katholischen Diealogs. Er zeigte, dass dieser stark gezeichnet ist von der inneren Krise des Angli-
kanismus. Diese Krise trat zwar vor allem in den Auseinandersetzungen um moderne Fragen wie die Frauenordination zu Tage, ist aber nach seiner Darstellung tiefer geprägt von der Tendenz, eine gewisse Einheit des Anglikanismus durch ein Ausweichen vor wirklich verbindlichen Lehraussagen zu wahren. Nach jahrzehntelangen fruchtbaren Gesprächen von bilateralen ökumenischen Kommissionen, die auch eine innere Nähe zur katholischen Kirche zeigten (sogar im Blick auf eine „gewisse päpstliche Unfehlbarkeit“) , zeige sich nun eine Relativierung des „historischen Amtes“ von Bischöfen, Priestern und Diakonen, eine Unbestimmtheit im Blick auf die Autorität der Dogmen und – in den Worten des Erzbischofs von Canterbury Rowan Williams – die Verwerfung „der Notwendigkeit einer zentralen, leitenden Autorität in der kirchlichen Hierarchie“.

Bei den lebhaften Gesprächen des Schülerkreises mit den Referenten nahm auch Papst Benedikt Stellung. Er betonte, dass der ökumenische Dialog ungeachtet aller Schwierigkeiten fortgeführt werden müsse. Zugleich unterstrich er die Notwendigkeit einer echten Verbindlichkeit der Ergebnisse von Dialogen. Das erfordere zugleich die Klärung der Autorität des Amtes. Stimmen aus dem Schülerkreis aufnehmend, betonte er, es gelte vor allem die Frage der Wahrheit und die mit ihr verbundene Frage des Heils in Christus wach zu halten. Auch in seiner Predigt nahm er am folgenden Sonntag das Thema der Wahrheit in Christus von neuem auf. Auf die Frage eines gemeinsamen Schuldbekenntnisses ging er im theologischen Gespräch nicht ein. In einer Wiederaufnahme der Gespräche am Sonntag, an der Papst Benedikt nicht mehr teilnahm, nahm Kardinal Koch diese Frage aber positiv auf. Er selbst habe diesen Gedanken bereits im ökumenischen Gespräch ins Spiel gebracht. Ein Mitglied des Schülerkreises machte darauf aufmerksam, dass Papst Benedikt schon als Theologe auf die Bedeutung einer „Reinigung des Gedächtnisses“ hingewiesen habe. Geschichtliche Ereignisse können zwar nicht ungeschehen gemacht werden, aber durch einen neuen Blick auf sie, einen Blick der Versöhnung, können sie geheilt werden.